Admintreffen Germering
Kurz vor Jahresende mache ich in meinem Geiste meinen persönlichen Jahresrückblick. Viele schöne Erlebnisse, Geschichten und Erinnerungen tauchen dabei auf und ein besonderes Erlebnis möchte ich mit euch teilen.
Wir arbeiten als Admin- und Moderatorenteam unserer Gruppe nahezu ausschließlich auf Distanz. Da wir alle relativ weit auseinander wohnen, sind leider nicht allzu viele Treffen möglich. Geschichten von unseren Treffen bei Eva kennt ihr ja bereits.
Da es aber einige Dinge gibt, die sich besser an einem gemeinsamen Tisch besprechen und entscheiden lassen UND Lis und Lil mich ohnehin schon lange eingeladen haben, mal ein paar Tage zum Abschalten nach München zu kommen, ging es an die Planung.
Ein Termin war gefunden und meine ursprünglichen zwei angedachten Übernachtungen wurden von Lis und Lil sofort auf eine Woche korrigiert. Wir sammelten über Tage und Wochen die Themen, die wir bei dem Treffen unbedingt abarbeiten wollten und ich begab mich an die Herstellung meiner Mitbringsel.
Endlich rückte das langersehnte Arbeitstreffen immer näher. Und wie immer habe ich mir für diese Reise, wie auch für alle anderen Reisen fest vorgenommen, rechtzeitig mit Planung und Packen anzufangen. Und wie immer ist es mir auch diesmal nicht gelungen. So stand ich also am sehr späten Abend mit meinem Bügelbrett vor dem geöffneten Koffer und bügelte und packte, was der Koffer hielt. In diesem Moment huschte ein zynisches Lächeln über mein Gesicht. Hatte mein Mann mir doch vor wenigen Tagen noch gesagt, ich könne ja seinen kleinen Koffer nehmen, den er immer für seine Geschäftsreise in die USA nimmt. Der würde ja reichen. Ich weiß noch, dass ich mich lachend auf den Rücken geworfen hatte. Ein Handgepäckkoffer? Für ein Mädchen? Für 8 Tage München? Mein Mann hat echt Humor! Diese Unterhaltung hatte ich bereits bei der Flugbuchung mit ihm geführt. Ich mache keinen FKK-Urlaub! Ich brauche doch etwas zum Anziehen, Schuhe, eine zweite Handtasche und dann noch Platz für Schminkischminki und nicht zuletzt die Mitbringsel. Handgepäckkoffer war also keine Option. Ich habe mir deshalb Gepäck mit 23 kg dazu gebucht. Dass dies aber nicht nur für Mädels knapp werden kann, sollte ich bei meinem Rückflug noch erfahren, aber dazu später mehr.
Jedenfalls bügelte ich so vor mich hin, auf dem Handy hatte ich sowohl Facebook für die Gruppenmoderation als auch unseren Teamchat in Whatsapp im Blick und alle fünf Minuten kam meine Tochter in den Keller und wollte Meinungen und Unterstützung für ihre Schulaufgabe. Lesetagebuch zu ihrer aktuellen Lektüre. Na super. Die Uhr tickte unermüdlich und im Hinterkopf dezimierten sich die Stunden, die mir nun noch zum Schlafen bleiben würden, immer weiter auf eine bedrohlich kleine Anzahl. Um 1:30 Uhr schleppte ich meinen Koffer aus dem Keller ins Bad und rechnete… Abflug um 7:10 Uhr, Check In spätestens 5:10 Uhr, Fahrzeit zum Flughafen 35 Minuten, zuzüglich Puffer für Stau oder Unvorhergesehenes wie UFO-Landungen auf der Autobahn etc. ergibt eine Abfahrtzeit von spätestens 4:15 Uhr. Duschen, Schminken, Haare föhnen, Anziehen 20 Minuten, Kaffee 10 Minuten, Puffer für Eventualitäten wie „Bitte Kaffeebehälter füllen“, „Bitte Tropfschale leeren“, „Wassermenge nicht ausreichend“ (unser Kaffeeautomat überrascht uns gerne in den ungünstigsten Momenten mit solchen Forderungen) und 10 Minuten Schlummerfunktion für meinen Wecker plus Zeit um den Wagen zu beladen usw. ergab nach meiner Berechnung eine Weckzeit von 3:30 Uhr. Das wird lustig. Damit ich nicht am nächsten Morgen im Halbschlaf die Zahnpasta als Makeup benutze, mir einen BH statt eines Tuches zum Schutz vor der Klimaanlage im Flieger um den Hals wickele und versehentlich in Hausschuhen am Terminal erscheine, habe ich mir alles in der richtigen Reihenfolge im Bad zurechtgelegt. In der Küche stellte ich mir eine Tasse unter den Auslauf der Kaffeemaschine, um Verwechslungen mit dem Hundenapf vorzubeugen, kontrollierte zur Vorsicht Bohnenbehälter, Wassertank und Tropfschale und war sehr zufrieden mit meiner perfekten Planung. Jetzt aber schnell ins Bett. Dort blickte ich um 2 Uhr ein letztes Mal auf die Uhr und verdrängte voller Selbstmitleid die Tatsache, dass mich bereits in 90 Minuten mein Wecker aus dem dringend benötigten Schönheitsschlaf reißen wird.
Zum Glück sorgten Reisefieber und Vorfreude auf die LiLis dafür, dass beim Klingeln des Weckers sofort alle Lebensgeister hellwach waren und ich leichtfüßig und lautlos die Treppen ins Erdgeschoss hinunterschweben konnte. Adrenalinausschüttung sei Dank. Im Bad sagte mir allerdings der Spiegel, dass mein Gesicht von diesem Hormonschub leider nichts abbekommen hat und ich es selbst mit den tollsten Kosmetikprodukten heute auch nicht mehr hinkriegen werde, nicht wie eine Scheintote auszusehen. Egal, im Zweifel erkennt Lil mich an der Stimme. Hoffe ich. Oder an den Lackschuhen. Diese sind ein teaminterner Running-Gag und es war klar, dass ich NICHT in Sneaker in den Flieger steigen werde. Was ich nicht bedacht hatte war die Gefahr, welcher man so unausgeschlafen auf 9 cm hohen Highheels ausgesetzt sein könnte. Kurzer wehmütiger Blick auf die Hausschuhe… Nein! Ich reise mit Stil. Und deswegen mit Stiel unter den Fersen. Basta! Ich habe schon auf noch höheren Absätzen ganze Nächte durchgetanzt, da werde ich auf den zarten 9 cm sicher bis nach München kommen. In der Zwischenzeit war auch GöGa wach, der mich zum Flughafen bringen wollte.
Ich saß pünktlich und ohne Bänderriss im Flieger und ärgerte mich über mich selber. Einen 23 kg Koffer buchen, aber auf die gar nicht mal so teure Option „Sitzreihe mit mehr Beinfreiheit“ verzichten. Wie blöd muss man sein? Meine Knie befanden sich bereits in Kontakt mit dem Vordersitz, als der Depp mit einem mehr als offensichtlichem Schlafdefizit vor mir unmittelbar nach dem Start versuchte, seinen Sitz nach hinten zu klappen. Da dies aber nicht sofort funktionierte weil ja meine Knie einen Widerstand bildeten, versuchte er es noch einmal mit Anlauf und Schwung. Rumms! Ich atmete den Schmerz schnell weg, den Impuls meinen Vordermann mit meiner riesigen Handtasche zu erschlagen ebenfalls, parkte meine Beine schräggestellt vor dem leeren Sitz neben mir und schickte dem Piloten auf telepathischem Weg die Bitte, doch möglichst schneller zu fliegen, damit mein Vordermann seine Reise nach München überlebt. Nicht dass mir doch noch meine Handtasche im Format eines Koffers ausrutscht. Ich könnte der mittlerweile laut schnarchenden Person natürlich auch meine Highheels über die ungewaschene Rübe ziehen. Als Goldschmiedin liegt mir der präzise und gleichzeitig kraftvolle Einsatz eines Hammers im Blut und so ein Absatz könnte mit dem richtigen Schwung… Ähm nein, ich versuche es lieber weiter mit Telepathie in Richtung Cockpit und lenkte mich mit der Frage ab, was sich unser Teamclown Halil für den Empfang am Flughafen ausgedacht haben könnte. Wer Lil kennt, kann sich vorstellen, dass er ganz sicher nicht einfach so am Flughafen auf mich warten würde. Vor meinem geistigen Auge rollte sich ein roter Teppich in der Ankunftshalle aus. Das wäre zumindest ein standesgemäßer Empfang. Aber auch ein großer rosa Luftballon mit Glitzer wäre denkbar. Damit würde ich den kleinen Mann auch auf keinen Fall übersehen. Panik kam auf. Der wird sich doch nicht in eine Lederhose geschmissen haben und laut jodelnd am Flughafen stehen, oder? Ein jodelnder Türke in Lederhose wäre mehr als ich nach 1,5 Stunden Schlaf und Kniescheibenprellung ertragen könnte. Ich vertraute einfach auf Lis, die ihm einen solchen Auftritt ganz bestimmt verboten hätte. In der Zwischenzeit nuschelte der Pilot seinen Text durch die Lautsprecher und mein Ohr verstand nur „…werden wir München nach einer Flugzeit von insgesamt 50 Minuten erreichen…“ Echt jetzt? Mega! Telepathie kann ich! Die Flugzeit ist von 70 auf 50 Minuten geschrumpft! Ob es jetzt an meinen telepathischen Fähigkeiten lag oder am Rückenwind, sei mal dahingestellt. Jedenfalls hat dies die Überlebenschancen meines Vordermannes deutlich erhöht.
Am Flughafen wuchtete ich meinen Koffer vom Band, zog mir eine weitere Prellung am Schienbein zu und stöckelte mit leichtem Herzrasen durch die große Schiebetür. Vorhang auf, Spot an und da stand er, der kleine Mann. Klein, dünn, schüchtern und schelmisch grinsend mit einem Schild in der Hand „PORNHUB CASTING“. Ich brach in schallendes Gelächter aus und spürte sofort die Blicke der Mitreisenden im Nacken. Von Irritation, Belustigung, Ratlosigkeit bis Neid war so ziemlich alles dabei. Meine Lachtränen verschleierten etwas meinen Blick. Meinem Mann schickte ich nur ein Foto von Lil per WhatsApp als Info, dass ich gelandet bin. Er rief prompt lachend zurück und fragte nur: „Und? Hast du den Job?“
Auf dem Weg zu Lils Wagen versicherte ich mich mehrmals, dass sich nicht irgendwelche Herren oder Damen aus der Ankunftshalle meinem PornHub Agenten und mir anschlossen. Mutig hievte Lil mein dezentes Gepäck in den Kofferraum. Er zuckte bei dem Gewicht nicht mit der Wimper, aber auf seiner Stirn war eindeutig der Untertitel „Will die bei uns einziehen?“ abzulesen. Aus dem Auto rief Lil zuhause an und informierte Lis, dass wir schon auf dem Weg sind. Es tönte ein „Scheiße…okay…so früh… okay…bin gleich so weit“ aus den Lautsprechern. „Hallo Lis, du bist auf Lautsprecher und ich freue mich auf dich!“ Sie freute sich offensichtlich weniger über die fehlenden 20 Flugminuten, die ihr nun auch in ihrer Vorbereitung fehlten. Im kaiserlichen Heim angekommen, stand ein sehr feudales Frühstück auf dem großen Balkon mit allem, was das Herz begehrt und wir konnten nach einer ausgiebigen Begrüßung und der Zimmerverteilung ordentlich schlemmen. Lil verkündete stolz, dass ich mir mit ihm sein Zimmerchen teilen darf und für einen kurzen Moment hielt ich die Luft an. Aber es wurde schnell aufgeklärt: Nachts habe ich das Zimmer für mich alleine, über Tag kann es allerdings sein, dass Lil mal an seinen Schreibtisch muss. Okay, damit kann ich leben. Zumal ich weiß, dass Lil in seinem Arbeitszimmer Berge von Süßkram versteckt haben soll. Ich werde also auch nachts nicht hungern müssen. Apropos Hunger. Es wurde jetzt wirklich Zeit für unser Frühstück. Und Kaffee. Ich brauchte dringend Kaffee. Die Brötchen plumpsten nur so in meinen völlig leeren Magen und bildeten eine notwendige Grundlage für den Pfirsich-Prosecco, den Lis nun öffnete. In der Zwischenzeit gesellten sich auch Lis Töchter zu uns und vom Balkon nebenan winkte Christl, Lis Schwester fröhlich rüber. „Ich komm dann gleich mal rüber!“ Aha! Balkontelefon! Coole Sache! Die Schwestern wohnen auf der gleichen Etage und die Kommunikation zwischen den beiden findet zu einem großen Teil über Balkonfunk statt. So hat dann auch jeder Anwohner der Straße direkt alle nötigen Infos über das werte Befinden der Damen, über Einkaufslisten und die Tagesplanung im Allgemeinen.
Unsere Runde wurde immer größer und die Stunden gingen dahin. Die Proseccoflaschen allerdings auch und mit jedem Gläschen schwand meine Wut auf rücksichtslose Fluggäste. Eigentlich wurde mir angeboten, meinen enormen Schlafmangel mit einem kleinen Nickerchen auszugleichen, aber wie das so ist, wenn Weiber schnattern, verschwindet die Müdigkeit auch ohne Schlaf. Der am Nachmittag servierte Tränchenkuchen sorgte jedenfalls wieder für Energie.
Irgendwann am Abend verabschiedete Lis sich in die Küche und zauberte uns ein köstliches Menü. Jegliche Unterstützungsangebote meinerseits wurden abgelehnt. Die Mitglieder unserer Facebookgruppe kennen die kulinarischen Kunstwerke, die Lis immer so bildschön und sterneverdächtig auf den Tellern anrichtet. Ich durfte mich an diesem Abend davon überzeugen, dass die optischen Highlights auch geschmacklich absolute Oberklasse sind! Jeder einzelne Gang war ein Kracher. Schöner und leckerer kann man seine Gäste nicht verwöhnen und ich beantwortete die Frage nach gewünschtem Nachschlag vom Hauptgericht nur zu gerne mit JA! Hallo? Es gab Bäckchen. Ich liebe Bäckchen und habe schon oft in meinem Leben sehr gute Bäckchen gegessen, aber diese hier waren die besten Bäckchen, die jemals meinen Gaumen berührten. Sie bekam von mir sofort den Auftrag, bei Gelegenheit dieses gigantische Rezept für unsere Gruppenmitglieder aufzuschreiben. Mit ihrem Dessert war unsere Perfektionistin Lis nicht so ganz zufrieden und wollte uns doch tatsächlich ihre Kanom Krok vorenthalten! Zu fortgeschrittener Stunde konnten wir Lis aber dennoch davon überzeugen, ihre angeblich misslungenen Pfannkuchenbällchen auf den Tisch zu stellen und so mümmelte ich in dieser lauen Frühsommernacht auf dem kaiserlichen Balkon ein Bällchen nach dem anderen, bis mein Magen mit Vorspeisen, Ochsenbäckchen und Kanom Krok die Grenzen seiner Kapazität erreicht hatte.
Glückselig fiel ich in der Nacht in mein Bett und mit großer Vorfreude auf die nächsten Tage in einen erholsamen und tiefen Schlaf.
Am nächsten Morgen besprachen wir beim Frühstück auf dem Balkon, wie der Tag aussehen könnte. Lil bot an das Kochen zu übernehmen, damit wir beiden Mädels München unsicher machen konnten. Immerhin gab es so vieles, was Lis mir in München zeigen wollte. Das klang nach einem hervorragenden Plan! Petrus hatte ich ja mit mehrfach leergegessenen Tellern uns wohlgesonnen gestimmt und er schenkte uns das schönste Wetter, welches wir auf dem Balkon in vollen Zügen genießen konnten. Lil machte sich auf den Weg zum Einkaufen. Immerhin war er für das Essen heute zuständig, das beinhaltet dann natürlich auch den Einkauf.
Mit jeder verstrichenen Stunde, die Lis und ich so gemütlich auf dem Balkon saßen, änderte sich unsere Tagesplanung. „Also Viktualienmarkt wäre heute nicht mehr drin, das lohnt nicht mehr, aber wir könnten dieses und jenes machen…“ und Lis schlug mehrere Aktivitäten vor, die alle großartig klangen und wir schnatterten weiter. Plan B wurde eine weitere Stunde später wegen zu geringer Restzeit in Plan C umgewandelt und so erging es dann auch allen anderen Plänen nach und nach und als am späten Nachmittag Lil von seinem Großeinkauf heimkehrte, saßen Lis und ich noch immer schnatternd auf dem Balkon. Unseren Ausflug haben wir auf den nächsten Tag verschoben. Lil faselte etwas von „…das habe ich mir fast gedacht… typisch Weiber…. Kommen wegen Plaudern zu nichts…Schnattergänse“ und verschwand kopfschüttelnd in der Küche. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass mein Besuch in Germering ganz offiziell als Arbeitstreffen deklariert war und Lis und ich schwer beschäftigt unseren Aufgaben nachgekommen sind. Natürlich haben wir zwischendurch in die Gruppe geschaut, um Eva nicht ganz alleine zu lassen und wir haben natürlich auch ganz viele wichtige und schöne Dinge für und über unsere Gruppe besprochen. Man kann also sagen, dass wir vor lauter Arbeit keine Zeit für private Ausflüge hatten. Jaha!
Als irgendwann verheißungsvolle Geräusche und Gerüche aus der Küche drangen, traute ich mich einen Blick hineinzuwerfen und Lil meine Hilfe anzubieten. Ich dachte ich könnte ja Schnibbeln helfen oder andere Handlangerarbeiten machen wie zum Beispiel Gemüse putzen. Das Bild was sich mir in der Küche bot, ließ mich meinen Gedanken jedoch ganz schnell verwerfen. Vor mir stand der kleine Lil in seiner neuen Schürze, die ich ihm als Mitbringsel gemacht habe und sein Blick war irgendwie so… wirr? Irre? Kennt ihr die kleinen Kapuzineräffchen? Also Baby-Kapuzineräffchen? Ganz klein mit großen Augen und einer strubbeligen Frisur und wie sie so zappelig und hektisch von Ast zu Ast hüpfen? So in etwa könnt ihr euch Lil vorstellen. Die paar grauen Haare standen wild in alle Richtungen ab, der Blick wechselte zwischen völlig wirr und abwesend oder konzentriert, er hüpfte und tänzelte hektisch durch die Küche und wedelte dabei gefährlich mit seinen Kochutensilien. „Nein, lass mich, ich bin im Tunnel. Du kannst nicht helfen. Ich muss das jetzt so machen. Ich bin im Tunnel“ und irgendwie roch es nach Adrenalin in der Küche. Und nach Knoblauch. Neben mir tauchte Lis lachend auf und sagte, Lil sei immer im Tunnel wenn er kocht, man sollte dann die Küche weiträumig umgehen und zog mich wieder nach draußen auf den Balkon.
Na gut, dann reduziere ich meine Hilfe auf Tisch decken und machte es mir mit Lis wieder auf dem Balkon gemütlich. Irgendwann rief unser Kapuzineräffchen zum Essen und servierte ein gar köstliches Essen. Ich war sehr froh, dass der kleine Küchenchef meinen außerordentlich großen Appetit berücksichtigt hat und in der Küche noch ordentlich Nachschlag bereithielt, den ich selbstverständlich nicht ablehnen konnte. Ich hätte in dem Zeug baden können. Und so ging ein weiterer Tag in Germering köstlich und lecker zuneige und endete wegen viel zu viel Gesprächsstoff natürlich wieder deutlich später als geplant.
Eigentlich kann man sagen, dass Essen und Plaudern die größten Anteile meines Aufenthaltes einnahmen. Ich könnte ganze Bücher füllen mit den Berichten. Um euch aber nicht zu langweilen, versuche ich mich mal auf die wichtigsten Elemente zu beschränken.
Natürlich haben Lis und ich es dann doch im Laufe der Woche geschafft, den Viktualienmarkt zu besuchen. Dieser Markt ist ja für verfressene Liebhaber von Lebensmitteln wie ich einer bin eine Oase und eine Qual zugleich. Ich habe noch nie so viele Köstlichkeiten auf einem Haufen gesehen. Es gab alles, was das Herz begehrt, wenn auch leider nicht immer für Zölis geeignet, aber ich war sicher, dass Lis einen Tipp für mich haben wird. Immerhin ist sie die weltbeste Nichtehefrau der gefräßigen Raupe und kennt sich aus. Wir schlenderten also von Stand zu Stand, kauften hier und da ein paar Leckereien für unseren geplanten Besuch am übernächsten Tag im Biergarten (zu meiner Verwunderung, aber das erkläre ich später) und mein Magen zeigte geräuschvoll seine aufkommende Leere an. Wir schlenderten und schnatterten und schlenderten und schnatterten, fütterten irgendwann den Parkscheinautomaten im Parkhaus, welcher noch hungriger ist als die Automaten auf der Düsseldorfer Kö und ehe wir uns versahen, saßen wir im Auto auf dem Heimweg. Lis war ungewöhnlich still. Ich fing langsam an mir Sorgen zu machen, bis es endlich aus ihr herausplatzte: „Sag mal, hast du keinen Hunger? Ich habe sooo einen Hunger und habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass du endlich etwas sagst. Was war los?“ Na und ob ich Hunger hatte! Und wie! Aber ich hatte mich nicht getraut etwas zu sagen und hoffte darauf, dass auch Lis Hunger hat und wir irgendwo etwas Leckeres finden werden. Da mussten wir beide laut lachen. Jede unterdrückte aus Rücksicht oder Scham ihr Hungergefühl und wartete auf das Signal der Anderen. Das muss man erstmal schaffen! Hungrig den Viktualienmarkt verlassen ist eine Kunst. Memo an uns: sprechenden Menschen kann geholfen werden. Daheim angekommen fragte uns Lil, was wir denn Tolles gegessen hätten und ob Lis mir die Pommesbrüder gezeigt hat, die ganz tolle Pommes in tausend Varianten haben und das natürlich auch glutenfrei. Kichernd erzählten wir unsere Geschichte und Lil entschuldigte sich lachend bei mir, dass er vergessen hatte, mir eine wichtige Information über Lis mitzuteilen. Lis sagt nicht, wenn sie Hunger hat. Sie wird dann zwar immer grantiger und unterstellt ihrer Begleitung Hunger und versucht diese dann zum Essen zu bewegen, damit sie auch endlich Essen bekommt. So hat sie wohl einst den armen Lil mal auf einem Festival ungeduldig von Stand zu Stand getrieben und irgendwann regelrecht angeraunzt, er soll sich jetzt doch verdammt nochmal endlich etwas zu essen kaufen anstatt einfach nur zu schauen. „Du hast Hunger! Iss was!“ Dabei war ihr Hunger größer als seiner. Zum Glück war sie mir gegenüber nicht grantig, aber Lils Geschichte erklärte die plötzliche Stille, die Lis auf unserer Heimfahrt umgab.
Lachend saßen wir auf dem geliebten Balkon und die Reste des Tränchenkuchens waren eine wunderbare Überbrückung, bis wir am Abend unseren Besuch bei LiLis Lieblingsgriechen antreten konnten. Beim Naxos haben wir uns dann unsere leeren Bäuche füllen können und ich war die Einzige am Tisch, die all ihre Teller leeren und auf das Doggypack verzichten konnte. Lil und ich teilten uns einen Nachtisch und mein innerer Monk half mir dabei, die Portion in zwei wirklich identische und gerechte Portionen zu teilen. Mit einer zweiten Gabel in der Hand verteidigte ich erfolgreich meine Hälfte vor Übergriffen unserer Raupe. Endlich satt! Ich kann euch aber versprechen, dass der Besuch auf dem Viktualienmarkt der einzige Moment war, in dem ich bei Lis und Lil hungern musste.
Am nächsten Tag war die berühmte LiLis Pizza aus dem Pizzaofen geplant. Lis bereitet den Teig und jegliche Zutaten zu, belegt im Garten die Pizzen nach Wunsch und Lil backt die Pizza in seinem legendären Ofen, so ist die Aufgabenteilung bei den beiden. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Pizzen ich verdrückt habe. Es war einfach zu köstlich. Lis hat so ziemlich alles aufgefahren, was man sich für eine perfekte Pizza nur wünschen kann. Nach dem Essen gesellten wir uns zu Lis´ Familie, die ein paar Meter weiter im Garten zuerst gegrillt und sich dann um einen Feuerkorb herum gesetzt hatte. So saßen wir also mit Schwester Christl, der Nichte Ela und Lis Neffen Flori samt Frau gemütlich am Feuer. Irgendwann lud Flori den bösen Willi in unsere lustige Runde ein. Der böse Willi kam in einer Flasche daher, sah aus wie harmloses Wasser aber in meiner Erinnerungen kamen unschöne Erfahrungen mit Herrn Willi auf, sodass ich auf eine weitere Begegnung mit dem Herrn gerne verzichten wollte. Die angebotene Alternative in Form eines Eierliköres nahm ich hingegen dankbar an. Lil blieb bei seinem glutenfreien Malzbier. Lil gab sich also richtig die Kante. Herr Willi drehte eine Runde nach der anderen ums Feuer und ich war wirklich erstaunt, wie die zarte Lis die zahlreichen Begegnungen mit Willi wegstecken konnte. Ich sah mich gedanklich schon mit Lil zusammen unsere Kaiserin möglichst unbeschadet die Treppen in den ersten Stock zu tragen, aber ich hatte mich geirrt. Lis war bester Verfassung und allenfalls ihr Lachen ließ erahnen, dass irgendwo Herr Willi Gast unserer Runde war. Ich zollte unserer Kaiserin in diesem Moment einmal mehr Respekt als ich es ohnehin schon tue und nippte selber vorsichtig an meinem Eierlikör.
Am nächsten Tag stand nun unser Besuch im Biergarten an und da lernte ich etwas, was ich bis dato nicht kannte. Wir packten einen großen Picknickkorb mit allerhand Leckereien, die wir zum Teil auf dem Viktualienmarkt gekauft und zum Teil selber zubereitet haben. Lil hat beispielsweise einen tollen Bohnensalat gemacht und sehr leckere Frikadellen hatten wir auch dabei.
Wenn man hier im Rheinland in einen Biergarten geht, gibt es wohl keine größere Garantie für einen Rauswurf, als sein eigenes Essen auszupacken. In München ist das völlig normal, dass man sein eigenes Essen mitbringt, solange man die Getränke vom Eigentümer des Biergartens bezieht. Für Zölis gibt es natürlich nichts Besseres und Sichereres, als das eigene Essen. Tolles Konzept! Dazu gab es noch Livemusik und am Tisch gegenüber eine ältere Dame in Dirndl und bester Laune, die fröhlich durch den Biergarten tanzte. Es war herrlich.
Bei all der Schlemmerei haben wir natürlich unsere Arbeit nicht vergessen. Es gab eine Videokonferenz mit Heinrich, außerdem arbeiteten wir unsere Listen mit Stichpunkten und Themen ab, die wir drei jeweils im Vorfeld angelegt hatten, besprachen und überlegten Änderungen, Verbesserungen und Ideen rund um unsere Gruppe und testeten die neue Vorlage, die Lil für unsere Rezepte angelegt hatte. Diesen Job hatte er Lis und mir übertragen mit den Worten: „Das könnt ihr Nachteulen alleine, ich gehe heute früh ins Bett!“. Da Lis und ich auch mal ausnahmsweise früher ins Bett wollten, machten wir uns gleich an die Arbeit und erfanden ein Rezept, um unsere neue Dokumentenvorlage zu testen. Aber irgendwie gingen mit uns die Pferde durch und wir bastelten ein Rezept, welches eher Drehbuch für eine Comedyveranstaltung werden könnte. Aus verschiedenen Gründen kann ich das Rezept nicht verraten. Es ist albern, nicht ganz jugendfrei und es ist quasi die Neuauflage eines berühmten Schokokuchens mit etwas schlüpfrigem Namen. Jedenfalls hatten Lis und ich so einen Spaß bei der Arbeit, dass Lil von unserem Gelächter angelockt wurde und nun im Bademantel uns gegenüber saß, anstatt wie angekündigt im Bett zu liegen. Gegen 3 Uhr nachts war unser Werk zu unserer Zufriedenheit vollendet, die Vorlage hat unsere Prüfung bestanden und wir konnten endlich schlafen gehen. Wenn wir was machen, dann richtig.
Leider ging meine Woche in Germering bei LiLis viel zu schnell zu Ende. Die vielen schönen und lustigen Stunden, das fantastische Essen und die vielen tollen Gespräche ließen unser Arbeitstreffen zu einem wunderschönen und erholsamen Kurzurlaub werden. Zu gerne erinnere ich mich an die lustigen Momente, in denen Lis, ihre beiden Töchter und ich mit unserem Geschnatter den armen Lil zur Verzweiflung oder sogar in die Flucht an die Arbeit in unserem gemeinsamen Zimmer trieben. Über unsere ausgehungerte Rückkehr von unserem Besuch auf Münchens großer Fressmeile Viktualienmarkt lachen wir heute noch und der Satz „Ich gehe einkaufen. Brauchen wir außer Joghurt für das Abendessen sonst noch etwas?“ erweitert unser Repertoire an Running Gags. Ach die Geschichte erzähle ich noch kurz. Ihr müsst wissen, dass Lis und Lil auch hinter den Kulissen und im Privatleben den lustigen, liebevollen und gleichzeitig neckenden Umgang pflegen, wie ihr es aus unserer Gruppe kennt. Zärtliches „Zanken“ und Witzeln gehören da echt zur Tagesordnung. So begab es sich, dass die beiden mal wieder rumalberten und ich mich irgendwann fragte, ob dies eine Art Vorspiel ist und ich den beiden Turteltäubchen einen Moment der Zweisamkeit verschaffen sollte. Da ich kein Kino oder Schuhgeschäft in der Nähe wusste, habe ich entschieden, mich auf den Weg zu Lils türkischen Lieblingssupermarkt die Ecke herum zu machen. Ich bot also an, Lils Auftrag zu übernehmen und besorgte den Joghurt, der uns für das Abendessen noch fehlte. Ich ging für meine Verhältnisse extrem langsam und schaute mir in aller Ruhe nahezu jedes Produkt im Sortiment genau an. Erst als ich der Meinung war, dass die beiden jetzt lange genug alleine waren, machte ich mich mit einem Eimer Joghurt und einem Strauß Petersilie wieder auf den Heimweg.
Mit dieser und noch vielen weiteren schönen Erinnerungen an eine unbeschwerte und erholsame Woche im Gepäck befand ich mich dann leider viel zu schnell wieder am Flughafen. Lis und Lil fuhren mich zu dem Gate, welches in meinem Ticket angegeben war. Dummerweise befand sich mein Check In Schalter aber genau am anderen Ende des Münchner Flughafens. Also stöckelte ich - an den Füßen natürlich wieder schwer mit Absätzen bewaffnet – mit Lis und Lil im Schlepptau zu meinem Schalter. Ich bin sicher, dieser Schalter hat eine ganz andere Postleitzahl als mein Gate, zu dem ich gleich wieder zurück muss. Nach gefühlten 12,8 km Laufweg kamen wir an meinem Schalter an. Dieser war der einzige Schalter für die Holzklasse und die Schlange wurde sekündlich länger, weil ganz vorne ein sehr unangenehmer Mann mit gegelter Föhnwelle in silbergrau, darauf farblich abgestimmten Designer Anzug und Leder-Slippern (natürlich barfuß) auf einer noch viel unangenehmeren Weise mit der Mitarbeiterin an diesem Schalter diskutierte. Es ging wohl darum, dass sein eleganter Rimowa-Alu-koffer für diese Airline 2 kg Übergewicht hat und er einen Aufpreis zahlen sollte. Aha! Auch Männer neigen dazu, mit übertriebenem Gepäck zu reisen. Leider wurde der Streit immer heftiger und lauter und es wurde von der Dame am Schalter sogar Unterstützung angefordert. Als zwei uniformierte Beamte mit wirklich groooßen automatischen Waffen unter dem Arm eintrafen, stieg allmählich auch bei mir der Puls. Ich war sehr froh über die Möglichkeit, nun doch am Priority-Schalter einchecken zu dürfen und joggte danach mit den LiLis die 12,8 km zurück zu meinem Gate. Pumps sind echt nicht die beste Idee für Reiseschuhwerk gewesen. Aber so hatte Halil wenigstens halbwegs eine Chance, mithalten zu können. Bei Lis machte ich mir da keine Sorgen.
Kurz vor dem Sicherheitsbereich trennten sich nun endgültig unsere Wege. Noch ein Foto und eine ganz feste Umarmung und mit dezentem Hochwasser in den Augen begab ich mich zur Rolltreppe. Von oben warf ich noch einen letzten Blick zurück und da stand er wieder, der kleine Mann mit einem Schild in der Hand. Dieses trug diesmal die Aufschrift: „Gib nicht auf! Bewirb dich nächstes Jahr wieder. PORN HUB“ Daneben stand die winkende Lis, die ebenfalls herzhaft lachte, wie es kaum eine andere mir bekannte Person mitreißender kann. Mein Abschiedsschmerz verwandelte sich sofort in einen Lachkrampf und ich trippelte davon. Lil ist es mal wieder gelungen, genau im richtigen Moment einen Witz zu machen, der jeden traurigen Gedanken verdrängt und mir waren die zum Teil doch sehr seltsamen Blicke der unzähligen Fluggäste um mich herum völlig egal.
Die Woche bei Lis und Lil hat so unendlich gut getan. Mein Mann hatte zuhause den Alltag mit Job, Haushalt, Kindern und Hunden absolut im Griff. Ich konnte mich in Germering völlig entspannen, abschalten und mit vielen schönen Momenten und Humor meine Akkus laden. Wieder einmal bestätigte sich die Tatsache, dass wir nicht nur Teammitglieder einer Facebookgruppe sondern auch richtig enge Freunde sind. Wir verstehen uns auf Distanz und aus der Nähe hervorragend und passen einfach toll zusammen. So macht die Arbeit als Admin einfach Spaß und ich bin sicher, dass noch einige Geschichten von Treffen folgen werden.